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Es riecht nach Feuer. Dicke Rauchschwaden vermischen sich mit den dunklen, bis in die Berghänge herabfallenden Wolken. In dieser so einsam und düster wirkenden Landschaft im Hinterland von Ligurien fühlen wir uns plötzlich Jahrhunderte zurückversetzt.
Kann Ligurien mehr als die Cinque Terre?
Haben wir uns gefragt und daraus eine kleine Challenge gemacht. Denn als wir erzählten, wir fahren nach Ligurien, konnte kaum jemand die Region so richtig zuordnen. Nur die berühmten Cinque Terre sind jedem sofort ein Begriff.
Also haben wir bewusst auf die fünf sicherlich wunderschönen – aber in der Hauptsaison leider unter Massentourismus leidenden – Dörfer verzichtet. Dafür wollten wir unbekanntere, aber vielleicht nicht minder schöne Orte in Ligurien finden. Und ja, das ist uns gelungen!
Ligurien: Wo die Berge ins Meer fallen
Ligurien ist eine kleine Küstenregion im Nordwesten Italiens. Begrenzt wird sie durch Frankreich im Westen, das Piemont im Norden, die Emilia-Romagna im Osten und die Toskana im Süden. Eingeklemmt zwischen Mittelmeer, den Seealpen und dem Gebirgskamm des Apennin, fallen die Berge mancherorts direkt ins Meer.
Während an der Küste der Badetourismus pulsiert, ist im hügeligen Hinterland oft nicht viel mehr zu hören, als das Konzert der Vögel und Grillen. Kleine mittelalterliche Dörfer schmiegen sich an die dunkelgrünen Berghänge, in vielen scheint die Zeit tatsächlich stehen geblieben zu sein.
Ligurien ist (in unseren Augen) nicht überall schön – die stark bebaute Küste der italienischen Riviera mit ihren Badeanstalten hat uns manchmal eher abgeschreckt. Auch in den Bergdörfern im ruhigen Hinterland sind viele Häuser verlassen und der Putz bröckelt an so manchen Ecken. Aber gerade das ist es, was uns am Ende auch begeistert. Hier ist nicht alles geleckt und für den Tourismus hergerichtet, sondern hat seinen ganz eigenen Charme behalten.
Unsere Route durch Ligurien
Von der Riviera di Levante (Küste des Sonnenaufgangs) rund um die Cinque Terre im Osten Liguriens fahren wir Richtung Westen an die Riviera di Pontente, die Küste des Sonnenuntergangs. Genauer gesagt: an die Blumenriviera zwischen Cervo und der französischen Grenze. Seinen verheißungsvollen Namen erhielt der Küstenabschnitt durch die üppig mediterrane Vegetation und sein mildes Klima, das die Region zum Zentrum der Blumenzucht in Italien machte. Neben Blumen spielen der Oliven- und Weinanbau eine wichtige Rolle in Ligurien.
Die Nebensaison ist für uns Fluch und Segen zugleich. Das Wetter im Mai ist so unbeständig, kühl und regnerisch wie seit Jahren nicht mehr. Dafür haben wir außerhalb der Badesaison die meisten Altstadtgassen und Strände ganz für uns alleine!
Komm mit auf unseren Streifzug durch das unbekannte Ligurien!
I Borghi più belli in Liguria – Die schönsten Dörfer Liguriens
I Borghi più belli d´Italia ist ein privater Verein, der kleine Städte und Orte mit „herausragendem historischem und künstlerischem Interesse“ unterstützt und als schönste Dörfer Italiens auszeichnet. Ähnlich wie beim Konzept der Alberghi Diffusi, kümmert sich die Vereinigung vor allem um Orte, die abseits der Touristenströme liegen und durch Abwanderung und fehlende Perspektiven vom Verfall bedroht sind.
Erkundet man Liguriens Hinterland, stößt man fast automatisch auf einige dieser Borghi più belli. Ob sie wirklich schöner sind als andere, bleibt sicherlich Ansichtssache. Das Konzept an sich finden wir aber eine gute Sache, um auch unbekanntere Dörfer und einen nachhaltigen Tourismus im ländlichen Italien zu fördern.
Unsere Highlights an der Riviera di Levante rund um die Cinque Terre
Montemarcello im Regen (ein Borgo più bello d´Italia)
Von Lucca in der Toskana brauchen wir nicht einmal eine Stunde, bis wir Montemarcello in der Provinz La Spezia erreichen. Leider schüttet es wie aus Eimern, sonst wäre der Ausblick vom Punto Panoramico auf die Bucht mit dem verheißungsvollen Namen Golfo dei Poeti (Golf der Dichter) sicherlich stimmungsvoller gewesen!
Trotz des Regens ist die Fahrt durch das Naturschutzgebiet Parco Montemarcello wunderschön und einsam. Je näher wir Lerici kommen, desto mehr Ausblicke auf das Meer und die typisch bunten Dörfer bieten sich uns von oben.
Was für ein Glück, dass wir Tellaro für unsere Mittagspause auserkoren haben. Denn gerade als wir unser Auto auf einem der wenigen Parkplätze außerhalb des Ortes abstellen, lässt der Regen nach und wir freuen uns über erste Lücken in wolkenbehangenen Himmel.
Tellaro und die Riesenkrake (ein Borgo più bello d´Italia)
Tellaro ist ein kleines und Mitte Mai sehr einsames Dorf im Golf von La Spezia. Vermutlich liegt es auch am durchwachsenen Wetter, dass wir völlig alleine durch die engen Gassen streifen und am Meer in aller Ruhe flinke Krabben beobachten.
Apropos Meerestiere. Eine Legende besagt, dass das Dorf von einer Krake gerettet wurde. Als Piraten versuchten, den Ort anzugreifen, begannen urplötzlich die Glocken zu läuten. Dadurch aufgeschreckt und gewarnt, konnte die Bevölkerung den Piratenangriff abwehren. Eine riesige Krake soll das Glockenläuten ausgelöst haben, um Tellaro zu schützen.
Vielleicht stapeln sich die Häuser hier nicht ganz so spektakulär wie in den Cinque Terre, die entspannte Stimmung ganz ohne Touristenmassen macht den Tellaro für uns aber trotzdem zu einem Highlight!
Santa Margherita Ligure
Der erste Ort, den wir auf der Portofino Halbinsel ansteuern, ist Santa Margherita Ligure. Hier bleiben wir für eine Nacht, um am nächsten Tag das Naturschutzgebiet auf der sattgrünen, bergigen Halbinsel zu Fuß zu erkunden. Santa Margherita gefällt uns mit seinen Plätzen und belebten Gassen, der Promenade und den mondänen Hotels und Villen aus der Belle Époque richtig gut.
Unser Unterkunftstipp: Das B&B Monte Di Portofino (Werbelink booking*) liegt in den Hügeln oberhalb von Santa Margherita Ligure. Zu Fuß benötigt man zwar rund 15 Minuten ins Zentrum – dafür bietet die sehr sympathische und authentische Unterkunft kostenlose Parkplätze, eine geniale Aussicht und Frühstück auf Wunsch.
Wandern auf der Halbinsel von Portofino
Zugegeben – Portofino ist jetzt kein wirklicher Geheimtipp. Sondern eher weltweit bekannt als Schickimicki-Reiseziel der Reichen und Schönen. Deshalb schauen wir uns das Örtchen lieber ganz in Ruhe von oben an, bei einer Wanderung im Naturpark Portofino.
Durch Wälder (Achtung Wildschweine!), Gärten und entlang der mit Macchia bewachsenen Steilküste führt uns der einfache Wanderweg zur Abtei San Fruttuoso. Die kleine Bucht mit ihrem mächtigen Kloster ist nur mit dem Schiff oder zu Fuß zu erreichen. Die Wanderung selbst ist wunderschön, San Fruttuoso hat uns dagegen eher nicht gepackt.
Unser Plan, mit dem Boot zurück zu fahren, scheitert am Wochentag. Sonntags steuern weniger Schiffe die Bucht an, so dass wir zwei Stunden warten müssten. Daher nutzen wir diese Zeit lieber aktiv und marschieren den gleichen Weg wieder zurück nach Portofino.
Länge der Wanderung: 5 Km (einfache Strecke), Dauer: 2 Std.
Aus der Zeit gefallen: Das Hinterland der Blumenriviera
Manche Dörfer an der Blumenriviera wirken, als hätte man sie vor Jahrhunderten in den Dornröschenschlaf versetzt. So auch Borgomaro, das wir am späten Nachmittag erreichen. Dichte Nebelschwaden hängen in den Bergen fest, als wir bei Imperia die Küste verlassen und ins bergige Landesinnere fahren.
In Borgomaro liegt unsere Unterkunft für die nächsten vier Nächte: das wunderbare Albergo Diffuso Relais del Maro. Ein perfekter Ausgangspunkt, um über kurvige Straßen die Küstenorte der Riviera dei Fiori und das malerische Hinterland mit seinen sattgrünen Hügeln und versteckten Dörfern zu erkunden.
Unterkunftstipp & Weiterlesen: Warum wir uns sofort in das Relais del Maro (Werbelink booking*) und das hübsche Borgomaro verliebt haben und was es mit den Alberghi Diffusi in Italien auf sich hat liest du in unserem Artikel: „Albergo Diffuso“ Relais del Maro
Cervo (eines der Borghi più belli d´Italia)
Obwohl Cervo uns zunächst mit strömendem Regen begrüßt, zieht es uns sofort in seinen Bann. Wir schlendern zur Burg und zur wunderschönen Barockkirche San Giovanni Battista, die seit 300 Jahren stolz und anmutig über der Stadt thront. Überraschend ruhig ist es in der mittelalterlichen Altstadt. Einzig ein dreirädriges Piaggio knattert durch die engen Gassen und durchbricht die Ruhe der Siesta.
Von Cervo aus führt uns der Weg nach Westen, Richtung französische Grenze. Ein kleiner Schlenker ins Landesinnere und wir erreichen Dolcedo.
Bröckelnder Putz in Dolcedo
Mit dem bröckelnden Putz der Häuser, seiner Steinbrücke aus dem 13. Jahrhundert und dem wild verwachsenen Flussufer wirkt Dolcedo völlig aus der Zeit gefallen. Dass man sich aber auch hier bereits auf Touristen eingestellt hat, zeigen die kleinen Cafés auf dem schmuck hergerichteten Marktplatz.
Ventimiglia und der Botanische Garten Hanbury
Wer uns kennt weiß, wie sehr wir jegliche Art von Gärten und Parks lieben. Nach Ventimiglia zieht es uns daher auch vor allen wegen dem berühmten Botanischen Garten Hanbury. Vielleicht liegt es nur an der Vorsaison, aber wir sind etwas enttäuscht von der Lieblosigkeit der teilweise von Unkraut überwucherten Gartenanlage. Etwas mehr Pflege, und der Ende des 19. Jahrhunderts von Thomas Hanbury angelegte Garten mit seiner Villa, Brunnen, Pavillons und Pflanzen aus aller Welt wäre ein richtiger Traum!
Auf einen Caffè steuern wir Ventimiglia an. Ich bezweifle, dass wir wirklich im richtigen Ortskern landen. Denn die düsteren, schmalen Gassen passen so gar nicht zur Beschreibung des Reiseführers. Ganz egal, wo wir uns gerade befinden: das frisch gebackene Focaccia, für das Ligurien berühmt ist, schmeckt hervorragend! Als wir das lobend äußern, verrät uns die stolze Bäckerin auch gleich in sich überschlagendem Italienisch das gesamte Rezept. Manchmal ist das falsch abbiegen also doch etwas wert 🙂
Bevor wir zurück nach Borgomaro fahren, biegen wir nochmal ins Landesinnere ab und erkunden das Val Nervia, das Tal des Nervia Flusses.
In Öl gebannt: Dolceacqua
Ob Dolceacqua auch ohne Claude Monet zu so viel Ruhm und Rummel gekommen wäre? 1884 verewigte der französische Maler die markante Steinbrücke Ponte Vecchio, die sich als mächtiger Steinbogen über die Nervia spannt, und die darüber aufragende Burgruine in Öl. In den steilen und stufigen Gassen triffst du auf viel Kunst und kleine Ateliers. Die Erkundung der Altstadt geht zwar ganz schön in die Waden, lohnt sich aber auf jeden Fall!
Spektakuläres Apricale
Die Häuser von Apricale im Hinterland von Imperia stapeln sich spektakulär am Hang! Noch spektakulärer finden wir allerdings die Bergstraße, die von Apricale nach Perinaldo führt. „Und was machen wir, wenn jemand entgegenkommt?“ frage ich Marco. „Hmm, das sehen wir wenn’s soweit ist.“ „Aber bitte immer schön hupen, bevor du um die Kurve fährst!“
Auch Apricale gehört zu den borghi più belli d’Italia und damit auch zu den beliebtesten Ausflugzielen an der Blumenriviera. Im Sommer werden die Gassen sicherlich von mehr Touristen bevölkert – an einem regnerischen Tag im Mai haben wir sie dafür fast für uns alleine. Für irgendwas muss Regenwetter im Urlaub ja auch gut sein, oder?
Imperia: Am Hafen von Porto Maurizio
Einmal frische Meeresfrüchte genießen wollen wir unbedingt, wenn wir schon am Meer unterwegs sind. Die gibt´s dann auch an unserem letzten Abend in Imperia. Für die Stadt selbst fehlt uns leider die Zeit, so schlendern wir nur noch ein wenig am Hafen und an den Strandbädern von Porto Maurizio vorbei.
Unser Fazit: Ligurien kann mehr als die Cinque Terre!
Wir haben es ja bereits anklingen lassen und ich denke, du kannst es auch aus unseren Erzählungen herauslesen. Unsere selbst gestellte Challenge ist geglückt und die Erkenntnis daraus lautet: Ligurien ist auch ohne die Cinque Terre unbedingt einen Besuch wert und hat noch so einige Geheimtipps und stille Ecken zu bieten!
Und es gäbe ja noch so viel mehr zu entdecken. Mit mehr Zeit und besserem Wetter, warten noch viele versteckte Dörfer, Wanderwege und die Bergwelt Liguriens darauf, von uns erkundet zu werden.
Ein solcher versteckter Ort ist zum Beispiel das kleine mittelalterliche Hexendorf Triora im Hinterland von Imperia, über das Daniel auf seinem fernwehblog.net erzählt. Klingt total spannend und kommt auf jeden Fall auf unsere To-do-Liste für die nächste Reise an die italienische Riviera 🙂
Reiseführer und Wanderführer
- Da wir häufig in Norditalien unterwegs sind, reisen wir schon lange mit dem Oberitalien Reiseführer aus dem Michael Müller Verlag. Leider ist dieser bereits aus 2018, weshalb wir dir als Alternative das aktuelle DuMont Reise-Handbuch (Werbelink Amazon*) empfehlen würden.
- Leider konnten wir aufgrund des Wetters nicht so viel wandern wie wir uns das vorgestellt hatten. 50 Tourideen stellt der KOMPASS Wanderführer Ligurien mit Cinque Terre (Werbelink Amazon*) vor.
- Neu entdeckt haben wir den Ligurien – ReiseMomente: 50 Mikroabenteuer (Werbelink Amazon*):
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Hallo,
wie lange ward ihr denn für diese Strecke unterwegs und wo habt ihr übernachtet?
Viele Grüße
Miriam
Hallo Miriam, erstmal sorry für die späte Antwort – mit unserem kleinen Wanderzwerg dauert gerade alles etwas länger…
Wir waren insgesamt für 5 Nächte in der Region. Die erste Nacht hatten wir ein Hotel in Santa Margherita Ligure, danach waren wir für 4 Nächte im unglaublich tollen „Albergo Diffuso“ Relais del Maro (darüber haben wir auch berichtet: https://www.road-traveller.de/relais-del-maro-ligurien/).
Hoffe, ich kann dir damit weiterhelfen 🙂
Wünsche dir eine schöne Reise!
Liebe Grüße, Lisa
Ein wunder schöner Artikel. Wir sind gerade in LIGURIEN und wohnen in einem kleinen Nest, Chiesanuova oberhalb von Levanto. Total ruhig und wunderschön. Meine Frage: Kann mir jemand etwas über die Glockenspiele, die wir von überall hören, erzählen? Jede Kirche spielt eine andere Melodie und immer zu verschiedenen Zeiten. Einfach unglaublich!
Wir wandern, genießen das herrliche Essen und freuen uns über viele Eindrücke im unbekannten Hinterland.
Hallo Elfi,
vielen lieben Dank für dein Feedback und hoffentlich habt ihr euren Urlaub noch so richtig genossen!
Mal schauen, ob ein/e Leser/in antworten kann, denn ich weiß leider keine Antwort – wäre aber sehr spannend zu hören.
Ach, wir müssen auch unbedingt nochmal zurück nach Ligurien, es gibt noch so viel zu entdecken!
Liebe Grüße, Lisa
Ein wunderbarer Artikel mit ausdrucksstarken Bildern. Hat mir sehr gut gefallen. Bisher waren wir noch nicht dort aber kommt nun auf die Bucketliste. Dankeschön. Liebe Grüße Viola
[…] Auch Lisa und Marco vom road-traveller.de entführen uns nach Ligurien – allerdings in einen anderen Abschnitt der Küste. die beiden zeigen uns unter anderem einige „Borghi più belli in Liguria – Die […]